Osthofen, 27.07.2014, von Dr. Henning Müller

Starkes Zeichen gegen Rechts

Das Zahnrad, welches die Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (THW) als Symbol trägt, wurde im Dritten Reich von den Nationalsozialisten in vielfältiger Weise missbraucht. Heute steht es für weltweite humanitäre Hilfe aus Deutschland und Unterstützung in der örtlichen Gefahrenabwehr für den Nächsten. Diese Abkehr von Unrecht, Willkür und Unmenschlichkeit in der Symbolik prägt auch das Selbstverständnis des THW.

Der THW-Ortsverband Groß-Gerau hat sich zum Ziel gesetzt, dieses Selbstverständnis auch nach außen zu tragen. Der THW-Ortsbeauftragte Klaus Meinke gab hierzu mit einer Ausbildungsveranstaltung unter der Überschrift „Wir zeigen Gesicht – Gegen Rechtsextremismus“ den Auftakt und referierte: „Gerade beim THW tun technikbegeisterte Jugendliche und junge Erwachsene Dienst. Dies ist für Neonazis ein Feld, in dem sie begierig sind, ihr Gedankengut zu verbreiten.“ Und er mahnt: „Wehret den Anfängen!“. Durch Aufklärung will er Sorge tragen, dass es auch in Zukunft gar nicht so weit komme.

Durch diese theoretische Beschäftigung mit der Geschichte im sonst technikgeprägten Ausbildungsbetrieb des THW reifte die Idee der Helferschaft sich vor Ort mit den heute kaum vorstellbaren Auswüchsen der Terrorherrschaft zu beschäftigen. Ein Ziel in nächster Nähe bot hierzu eine gute Gelegenheit: Das ehemalige Konzentrationslager im rheinhessischen Osthofen beherbergt eine Gedenkstätte mit Dauerausstellung. Beides besuchten die Groß-Gerauer THWler am 27. Juli 2014 gemeinsam mit ihren Familien. Sie nutzten die Gelegenheit, um direkt vor Ort untereinander und mit einer fachkundigen Ausbilderin der Gedenkstätte zu diskutieren und die eigene starke Meinung gegen Rechtsextremismus zu dokumentieren. Beeindruckend, aber auch denkwürdig, waren vor allem die gesellschaftlichen Folgen des Konzentrationslager, die bis in die Gegenwart hineinreichen. „Für die Groß-Gerauer Katastrophenschützer war dieser Besuch ein interessanter Kontrast zum Dienstalltag – vor allem aber ein starkes Zeichen gegen Rechts“, resümiert der stellvertretende Ortsbeauftragte Dr. Henning Müller den Besuch.

Hintergrund:

Am 28. Februar 1933, einen Tag nach dem Reichstagsbrand, erließ Reichspräsident Paul von Hindenburg die „Verordnung zum Schutz von Volk und Staat“, die der Abwehr „kommunistischer staatsgefährdender Gewaltakte“ dienen sollte. Sie setzte viele Grundrechte außer Kraft und ermöglichte es den Nationalsozialisten, politische Gegner ohne Anklage und Beweise in „Schutzhaft“ zu nehmen. Opfer waren in erster Linie Kommunisten, weshalb Funktionäre dieser Partei zu den ersten Insassen des Konzentrationslagers in Osthofen gehörten. Inhaftiert wurden aber auch Sozialdemokraten, Gewerkschafter und Angehörige der ihnen angeschlossenen Verbände sowie des „Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold“ und der „Eisernen Front“.

Auch jüdische Bürger wurden von Anfang an verfolgt – vor allem, wenn sie einer linken politischen Gruppierung angehörten.

Zum 1. Mai 1933 ordnete der Staatskommissar für das Polizeiwesen im Volksstaat Hessen, Dr. Werner Best, die Schaffung eines Konzentrationslagers für den Volksstaat in Osthofen bei Worms an. Dafür wurde eine stillgelegte Papierfabrik ausgewählt. Dort sollten alle jene Einwohner Hessens interniert werden, die die Polizei aus politischen Gründen verhaftet und länger als eine Woche festgehalten hatte. Tatsächlich bestand dieses Konzentrationslager jedoch schon seit Anfang März 1933, und die ersten Häftlinge wurden ebenfalls vor der offiziellen Eröffnung eingeliefert. Bereits am 6. März kamen einzelne Häftlinge aus dem Ort Osthofen selbst im KZ an. Der erste größere Transport mit ungefähr 80 politischen „Schutzhäftlingen“ musste unter scharfer Bewachung den Fußweg von Worms nach Osthofen antreten. Ehrenamtlicher Lagerleiter war der in Osthofen gebürtige SS-Sturmbannführer Karl d’Angelo. Bewacht wurde das Lager anfangs von zu Hilfspolizisten ernannten SS- und SA-Männern aus Worms und Umgebung. Ziel der frühen Konzentrationslager war die Ausschaltung jeglicher politischer Opposition und die Einschüchterung der Bevölkerung, die durch umfangreiche Presseberichte unterstützt wurde. Die regionale Presse im ganzen Volksstaat Hessen berichtete ab Mai 1933 in beinahe gleichlautenden Berichten von der Einrichtung des Konzentrationslagers Osthofen. In den kommenden Wochen konnte man fast täglich in den regionalen Blättern lesen, wer aus der Umgebung verhaftet und nach Osthofen gebracht worden war. Die Existenz dieses Lagers blieb somit keinem Zeitgenossen verborgen. Die Zustände dort wurden in den Berichten stark verharmlost. Diese Verharmlosung setzte sich offenkundig in Teilen der Bevölkerung bis in die 80er Jahre fort.

Die in Mainz als Netty Reiling geborene Schriftstellerin Anna Seghers setzte dem Konzentrationslager Osthofen in ihrem im Pariser Exil geschriebenen und in Mexiko 1942 erstveröffentlichten weltbekannten Roman „Das siebte Kreuz“ ein literarisches Denkmal.


Alle zur Verfügung gestellten Bilder sind honorarfrei und dürfen unter Angabe der Quelle für die Berichterstattung über das THW und das Thema Bevölkerungsschutz verwendet werden. Alle Rechte am Bild liegen beim THW. Anders gekennzeichnete Bilder fallen nicht unter diese Regelung.




Suche

Suchen Sie hier nach einer aktuellen Mitteilung: